Nahverkehr in Südtirol: Wann beginnt das Wochenende?
Trasporto locale in Alto Adige: Quando comincia il fine settimana?

Helmuth Pörnbacher - 2018

apollis erhebt seit dem Jahr 2001 in regelmäßigem Abstand das Mobilitätsverhalten der Bozner Bevölkerung. Dabei werden die tatsächlichen Bewegungen eines zufällig ausgewählten Stichtags nach Start, Ziel, Verkehrsmittel und Wegezweck erfasst. Letzterer wirkt sich ganz deutlich auf die Verkehrsmittelwahl aus: der Radanteil ist bei Berufs- und Schulpendlern deutlich höher als im Freizeitverkehr, wo umgekehrt das Auto überdurchschnittlich oft das Hauptverkehrsmittel darstellt.

Die Anzahl der täglichen Freizeitwege der Bozner Bevölkerung hat 2017 sowohl an Wochentagen (fast 170.000) als auch an Wochenenden und Feiertagen (über 200.000) die höchsten bislang erhobenen Werte erreicht. Die täglichen Freizeitbewegungen sind an Wochenenden und Feiertagen nicht nur absolut gesehen zahlreicher. Während schon an einem Wochentag immerhin 41% der Wege auf Freizeitäktivitäten entfallen, sind es an den “freien” Tagen sogar 56%. Freizeitwege gehören auch zu den längsten Wegen: Sie dauern im Schnitt über eine halbe Stunde und erreichen an Wochenenden Durchschnittsdistanzen von gut 15 km.

Die Zunahme des Freizeitverkehrs basiert zunächst einmal auf einer grundsätzlich anwachsenden Mobilität insbesondere an Wochenenden. Der Anteil aktiver Personen an Wochenenden und Feiertagen hat nämlich seit 2001 fast stetig zugenommen und erreicht 2017 87%. Dies und der etwas verhaltenere Anstieg an normalen Wochentagen sorgt mittlerweile für ein ähnlich hohes Verkehrspotenzial über die ganze Woche.

Relativ gesehen - also als Anteil aller Wege ausgedrückt – haben aber weniger die Freizeitwege zugenommen: im Gegenteil fällt insbesondere an Wochenenden eher ein Rückgang ins Auge. Zugenommen haben hingegen die privaten Besorgungen. Dieser Anstieg ist durchaus plausibel, wenn man sich die Entwicklung der Ladenöffnungszeiten an Wochenenden anschaut. Hier verschwimmen aber auch die Grenzen zur Freizeit, denn als solche müsste das samstägliche (oder neuerdings gar sonntägliche) Shopping wohl eigentlich klassifiziert werden. Die strikte Trennung nach Arbeit und Besorgung bis max. Samstag Mittag und Freizeitwegen am Nachmittag und am Sonntag ist in Bozen also Vergangenheit. Freizeit, Besorgungen und Arbeit lassen sich bezüglich Wochentag nicht mehr so klar trennen. Es sind also zwei Trends, die hier herein spielen: die absolute Zunahme der Wege durch die wachsende und immer mobiler werdende Bevölkerung und die schwerere zeitliche und räumliche Abgrenzbarkeit. Durch das Verschwimmen der Grenzen zwischen Arbeit, Freizeit und Besorgungen sowie zwischen Wochentagen und Wochenenden werden die Anforderungen an das freizeitliche Mobilitätsangebot in Bozen zu jeder Zeit mehr und vielschichtiger. Diesem Trend muss auch das Nahverkehrsangebot Rechnung tragen. Die Tage des Wochenendfahrplans sind gezählt.

(Grafik: apollis)

(Quelle: Becker, Ulrich, Helmuth Pörnbacher (2017): Die Mobilität der Familien in der Gemeinde Bozen – Untersuchungswelle 2017. Hauptergebnisse zu einer empirischen Untersuchung. Bozen: apollis.)
 
 
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