Ursachenforschung zum Verkehrskollaps in Bozen an Regentagen und weitere Wetterphänomene
Considerazioni sul blocco del traffico a Bolzano nei giorni di pioggia e altri fenomeni meteorologici

Ulrich Becker - 2018

Immer wieder lässt sich an Regentagen folgendes beobachten: der morgendliche Berufsverkehr in Bozen kollabiert, lange Fahrzeugschlangen bilden sich an den typischen Einfalls­straßen. Gerade deswegen wird häufig vermutet, das Problem sei nicht hausgemacht, sondern würde von auswärtigen Einpendlern in die unschuldige Landeshauptstadt hereingetragen. Unsere Mobilitätserhebungen können vieles erklären, aber beim Unterschied zwischen Schön- und Schlechtwetter stößt die Untersuchung an ihre Grenzen. Und zwar an jene des Erhebungszeitraums, der sich meist nur über wenige Wochen der warmen Jahreszeit erstreckt und aufgrund der vielen Sonnentage in Südtirol selten einmal von einer Schlechtwetterphase getrübt wird. Es fehlt also an ausreichend Vergleichstagen, insbesondere wenn man Werktage, Wochenenden und Feiertage auseinanderhalten will.

(Foto: Pixabay)

Aber gibt es nicht noch andere Daten? In der Tat veröffentlicht das ASTAT Tageswerte zu den Fahrzeugpassagen an unzähligen Verkehrszählstellen im ganzen Land. Es ist etwas mühsam, sich die Zahlen bestimmter Zählstellen in Richtung Bozen für einzelne Tage im qlikview-Service zusammenzuklicken, um so einfacher ist es aber, die historischen Wetterdaten für Bozen von der Homepage des Landeswetterdienstes herunterzuladen. Die zur Verfügung stehenden Zählstellen liegen leider nicht unmittelbar an den Stadteinfahrten, aber die zehn ausgewählten Passagen sollten den nach Bozen gerichteten Verkehr aus dem Eggen- und Eisacktal, von Leifers und Eppan, über die MEBO sowie von Terlan, Sarntal, Jenesien und Ritten ausreichend gut abbilden. Zwischen 2014 und 2017 sind das insgesamt knapp 58.000 PKW pro Tag, da braucht es für Stau eigentlich kein Schlechtwetter mehr!


Nun sind natürlich einige methodische Überlegungen notwendig, denn neben dem Regen könnten ja auch Wochen- und Feiertage oder die Jahreszeit das Verkehrsaufkommen nachhaltig bestimmen. Dass an regnerischen Werktagen im Mittel fast 1.500 Autos mehr nach Bozen zu rollen scheinen, darf also nicht zu voreiligen Schlüssen verleiten. Außerdem wird die tägliche Niederschlagssumme vom Landeswetterdienst von 9:00 Uhr des Vortages bis 9:00 Uhr des aktuellen Tages ausgewiesen. Wann fällt aber die Entscheidung, heute doch das Auto zu benutzen? Wie man es auch dreht und wendet, je mehr Kontrollvariablen man in die statistische Analyse aufnimmt, ein signifikanter Zusammenhang zwischen Regen und Verkehr will sich einfach nicht einstellen. Eher noch gelingt es, für verregnete Wochenenden ein geringeres Verkehrsaufkommen zu prognostizieren – klar, weil viele dann auf Ausflüge und damit verbundene Autofahrten verzichten.

Sind also die Boznerinnen und Bozner doch selbst Schuld am Kolonnenverkehr? Zwischen Stau und Nicht-Stau entscheiden bei Verkehrsnetzen, die bereits hochbelastet sind und sozusagen am Anschlag stehen, eventuell schon relativ wenige Fahrzeuge. Vielleicht müsste man die ebenfalls erhältlichen stündlichen Passagen hernehmen? Ein Vergleich von ausgewählten Starkregenereignissen mit der Schönwettersituation davor und danach zeigt allerdings nicht die geringsten Anhaltspunkte. Stau und Südstaulage lassen sich mit den Daten nicht in Zusammenhang bringen. Der Forscher gibt also auf und kann an die Bozner Stadtbevölkerung nur einen gutgemeinten Appell richten: Tauscht das Auto gegen einen Regenschirm!
Doch ganz will der Forscher noch nicht aufgeben, hat er die Wetterdaten doch gerade so schön zur Hand. Was ist denn mit den Eisheiligen im Mai? Waren die heuer nicht schon wieder besonders kalt? Beruhen diese Bezeichnungen und viele sonstige Bauernregeln letztlich nicht doch auf langjährigen Beobachtungen, also auf Empirie? Der mittlere Temperatur- und Niederschlagsverlauf im Mai gemittelt über alle Wetterstationen zeigt eine ernüchternde Kurve. Die kalte Sophie, also der 15. Mai, ist nicht signifikant kühler oder nasser als andere Maitage. Und Eis bzw. Frost hat es im Mai zumindest in Bozen seit 1981 nicht mehr gegeben.
Dann jedoch die Überraschung: der Wochentag scheint etwas herzugeben!

Regenwahrscheinlichkeit und mittlere Niederschlagsmenge weisen über die Woche hinweg eine so schöne Verlaufskurve auf, dass man nicht an Zufall glauben möchte – vor allem nicht, wenn man berufstätig ist und aus eigener Erfahrung weiß, dass es leider vor allem am Wochenende regnet. Mit den üblichen statistischen Methoden der Sozialforschung lässt sich sogar ein signifikanter Zusammenhang nachweisen. Eine schnelle Internetrecherche zeigt, dass Südtirol mit diesem Phänomen keineswegs alleine dasteht. Einschlägige Studien in verschiedenen Ländern kommen zu ähnlichen Ergebnissen und begründen die Schwankungen mit der Wirkung von Luftschadstoffen: der typische Wochenrhythmus menschlicher Aktivität übertrage sich durch das Emissionsaufkommen mit zeitlicher Verzögerung auf das Wetter. Nicht nur die Klimaerwärmung sei also menschengemacht. Die Ergebnisse werden allerdings heiß diskutiert, und meine eingesetzten statistischen Verfahren erweisen sich anscheinend als wenig geeignet, zyklische Phänomene in Zeitreihen nachzuweisen. Also wendet sich der Forscher an diejenigen, die es doch wissen müssten: die Wetterfrösche vom Landeswetterdienst.

Die Landesmeteorologen bestätigen das Phänomen, warnen aber vor vorschnellen Schlüssen. Günther Geier: „Tatsächlich ist der Verlauf des Niederschlags nach Wochentag in den Daten zu finden. Wir werden nun noch einige Stationen mit Messdaten von 1920 bis 1950 auswerten. Eigentlich sollte da der mögliche anthropogene Einfluss nicht so deutlich zu erkennen sein.“

Das könnte durchaus stimmen, war doch zu jener Zeit sicher auch das Verkehrsaufkommen in Bozen an Regentagen deutlich geringer!

(Grafik: apollis)
 
 
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