Hat das italienischsprachige Südtirol mehrheitlich rechts gewählt?
La maggioranza dell'Alto Adige di lingua italiana ha votato a destra?

Hermann Atz - 2023

Die Wahlen zum Südtiroler Landtag, die am 22. Oktober 2023 über die Bühne gegangen sind, haben zum Teil erwartete Ergebnisse, zum Teil ziemliche Überraschungen gebracht. Dazu zählen das starke Abschneiden der deutschsprachigen „patriotischen“ und impfkritischen Parteien JWA und Süd-Tiroler Freiheit. Ebenso hat kaum jemand damit gerechnet, dass nur fünf italienischsprachige Abgeordnete den Sprung in den Landtag schaffen würden. Da drei von ihnen auf italienische Rechtsparteien entfallen und nur einer auf die Demokratische Partei als einzige verbliebene Linkspartei, wurde das allgemein als Rechtsrutsch der italienischen Wählerschaft gedeutet. Dass das nur bedingt stimmt, zeigt die folgende Analyse.

Während generell mit einem Rückgang der Wahlbeteiligung zu rechnen war, ist dieser im Konkreten doch in unerwarteter Weise erfolgt: In den meisten ländlichen Gemeinden haben fast gleich viele Wahlberechtigte den Weg zu den Urnen gefunden wie vor fünf Jahren, in den größeren Städten und in anderen Gemeinden mit hohem italienischsprachigem Bevölkerungsanteil ist die Teilnahme dagegen dramatisch eingebrochen. Den größten Rückgang gab es dabei in Leifers mit 10 Prozentpunkten, es folgen Neumarkt, Branzoll, Franzensfeste, Bozen und Pfatten, wo die Beteiligung um jeweils 5-6 Prozentpunkten gesunken ist. In den Stadtgemeinden Meran, Leifers und Bozen haben unter 60 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben.


(Foto: Pixabay)

Es bedarf keiner ausgefeilten statistischen Analyse, um zu erkennen, dass es vor allem die Angehörigen der italienischen Sprachgruppe waren, die sich diesmal noch weniger an den Wahlen beteiligt haben als bei früheren Wahlgängen auf Landesebene. Der 2018 etwas geschrumpfte Unterschied in der Wahlbeteiligung zwischen den Sprachgruppen ist damit erneut auf rund 20 Prozentpunkte angewachsen: Während immer noch fast drei Viertel aller deutsch- und ladinischsprachigen Wahlberechtigten an den Landtagswahlen 2023 teilgenommen haben, liegt der entsprechende Anteil bei den italienischsprachigen nur mehr bei etwas über der Hälfte. Zu den Gründen für diesen Rückzug gibt es keine harten Daten, manches deutet jedoch darauf hin, dass viele Angehörige der italienischen Sprachgruppe das Gefühl haben, die Landespolitik betreffe sie wenig und ihre Vertreter in der Landesregierung hätten ohnehin kaum Einfluss.

Diese Ausführungen zur ethnischen Wahlbeteiligung waren notwendig, um die oben aufgeworfene Frage zu beantworten, wie stark die Rechtsorientierung der italienischsprachigen Wählerschaft in Südtirol nun wirklich sei. Man muss nämlich zunächst abschätzen, wie viele Angehörige der italienischen Sprachgruppe überhaupt gewählt haben, um dann die Verteilung ihrer Stimmen auf die Listen berechnen zu können. Laut der letzten Volkszählung des Jahres 2011 liegt der Anteil der italienischen Sprachgruppe bei 26 Prozent oder ca. 110.000 Personen; wenn von diesen – wie die amtlichen Daten erkennen lassen – nur gut die Hälfte (52%) an den Landtagswahlen 2023 teilgenommen haben, dann entspricht das rund 58.000 abgegebenen oder 56.500 gültigen Stimmen. Diese Stimmen sind in erster Linie an „italienische“, zumeist gesamtstaatlichen Parteien gegangen – aber nicht nur. Denn offensichtlich haben auch die beiden interethnischen Gruppierungen Verdi-Grüne-Verc und Vita Stimmen von Seiten italienischsprachiger Wähler bekommen, wie sich unter anderem aus den an italienische Kandidierende vergebene Vorzugsstimmen erkennen lässt. Zudem weiß man aus Umfragen [1], dass ein gar nicht so kleiner Teil dieser Wählerschaft für die SVP bzw. diesmal auch für die Liste Widmann und fürs Team K votiert hat. Umgekehrt gibt es auch eine kleine Minderheit deutsch- oder ladinischsprachiger Wähler, die allem Anschein nach für Lega, PD oder Fratelli d‘Italia gestimmt haben, sonst hätten diese Parteien in fast rein deutschsprachigen Gemeinden noch schlechter abschneiden müssen.
 
Unter Berücksichtigung der genannten Tendenzen kommt man zu folgendem Ergebnis, das in der Abbildung veranschaulicht wird:



(Quelle: eigene Berechnung auf Grundlage der amtlichen Wahlergebnisse 2023)
Entgegen der verbreiteten Annahme, die italienische Sprachgruppe in Südtirol sei politisch mehrheitlich rechts ausgerichtet, entfallen auf die vier italienischen Rechtsparteien Fratelli d‘Italia, Lega, Forza Italia und Centro Destra (als Abspaltung der Lega), nur ca. 50% aller „italienischen“ Stimmen. Die andere Hälfte geht an Mitte-Links (PD, Civica, Grüne, Movimento 5 Stelle) oder an „deutsche“ Parteien (SVP, Team K, Liste Widmann) bzw. an Vita. Dieses Ergebnis ist auch deshalb überraschend, weil eine ähnliche Abschätzung für die Landtagswahlen 2018 noch eine klare Mehrheit (57%) für rechte italienische Parteien erbracht hatte. Letzteres war wohl der damals von der Lega beflügelten Aufbruchstimmung geschuldet, der es vor fünf Jahren sogar gelungen war, merklich in der deutschsprachigen Wählerschaft zu punkten [2].

Insgesamt machen die italienischsprachigen Wähler einen Anteil von ca. 20 Prozent aller gültigen Stimmen aus. Damit sollten sie eigentlich sieben von 35 Abgeordneten bestimmen können. Dass tatsächlich nur fünf italienischsprachige Kandidaten gewählt wurden, ist einerseits ein Folge der starken Zersplitterung des Parteienspektrums. Andererseits ist die meistgewählte italienischsprachige Kandidatin auf der Liste der Grünen ja nur knapp gescheitert und das 13. Mandat der SVP offensichtlich den Stimmen italienischsprachiger Wählerinnen und Wähler zu verdanken. So gesehen bilden auch die drei Mandatare von Fratelli d‘Italia und Lega nicht die Mehrheit jener Abgeordneten zum Südtiroler Landtag, denen die italienischsprachige Wählerschaft ihr Vertrauen geschenkt hat.


Literatur

[1] apollis (2021 bis 2023), Südtiroler Politbarometer, Repräsentative Wählerumfrage im Auftrag der Südtiroler Wirtschaftszeitung SWZ, Wellen 1-5; laut diesen Umfragen lag die Zustimmung für die SVP in der italienischsprachigen Wählerschaft immer bei mindestens 10 Prozent.
[2] Atz, H., G. Pallaver (2019). „Der Reiz des Neuen. Unzufriedenheit bestraft die Regierungsparteien gleich wie die etablierte Opposition“, in: Engl, Alice; Pallaver, Günther; Alber, Elisabeth (Hg.), Politika19: Südtirol/Alto Adige. Jahrbuch für Politik/Annuario di politica/Anuer de pulitica, Bozen: Edition Raetia, 89-112, ISBN 978-88-7283-688-0
 
 
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