Partizipation auf Gemeindeebene, aber wie?
Partecipazione al livello comunale, ma come fare?

Helmuth Pörnbacher - 2022

„Das Gemeindeentwicklungsprogramm Raum und Landschaft beinhaltet die Vorhaben und Ziele für eine nachhaltige, in die Zukunft orientierte Entwicklung der Gemeinde“. So steht es in einer Handreichung der Südtiroler Landesverwaltung, die dieses neue Planungsinstrument auf Gemeindeebene vorstellt. Derzeit beschäftigt die Gemeinden in erster Linie die Frage, wie sie in den Genuss der Landesfinanzierung für die Erarbeitung des Gemeindenentwicklungsprogramms kommen – verständlich, geht es bei der Beauftragung eines Planungsteams schließlich um nennenswerte Beträge. Weniger intensiv wird – zumindest in der Öffentlichkeit – darüber diskutiert, wie die Ziele des Gemeindenentwicklungsprogramms tatsächlich erreicht werden sollen.

(Grafik: apollis)


Für die Umsetzung des genannten Programms liegt ein technischer Leitfaden vor, der den gesamten Planungsprozess beschreibt. Im ersten Schritt wird die jeweilige Gemeinde detailliert einer Bestandsanalyse unterzogen, wobei im Leitfaden minutiös die Bereiche aufgezeigt werden, die dabei zu behandeln sind: Mobilität, Siedlungsraum, Infrastrukturen, Landschaft und Umwelt und weitere Themenfelder sind von einem Team aus Fachleuten zu beschreiben, zu analysieren und zu einem Stärken-Schwächen-Profil der Gemeinde zu kondensieren.

Im zweiten Schritt sollen nun für die genannten Bereiche Entwicklungsziele benannt werden. So sollen zum Beispiel für den Bereich Siedlungsentwicklung auf der Grundlage von Bedarfsprognosen, dem derzeitigen Bestand incl. Leerständen und anderen Überlegungen die Eckdaten für die urbanistische Entwicklung festgelegt werden, incl. der Siedlungsgrenzen, innerhalb derer sich die Gemeinde in den nächsten 10 Jahren entwickeln soll. Ähnliche Vorgehensweisen betreffen die anderen Planungsbereiche, wenn dort auch die Verbindlichkeit des Planungsergebnisses nicht so klar ist wie bei der Festlegung der Siedlungsgrenzen: im Bereich Tourismus soll zum Beispiel ein Tourismusentwicklungsprogramm erarbeitet werden, im Bereich Mobilität ein Mobilitäts- und Erreichbarkeitsprogramm.

Was ist bis zu diesem Planungsschritt wirklich neu? Schließlich ist die Entwicklung der Gemeinden auch bis heute nicht vollkommen planlos verlaufen.

Der auffälligste Unterschied ist – bis zu diesem Planungsschritt – wohl die umfassende, interdisziplinäre Analyse des Ist-Zustandes, die es in dieser Form bisher nicht gegeben hat. Neu ist auf jeden Fall auch das übergreifende, vom Gesetz bereits benannte Ziel einer nachhaltigen Entwicklung.

Ein wirkliches Novum in diesem Planungsprozess erfolgt im dritten Schritt, der im technischen Leitfaden als „Strategische Umweltprüfung“ bezeichnet und folgendermaßen beschrieben wird: Die strategische Umweltprüfung ist ein partizipativer Prozess, welcher in mehreren Phasen abgewickelt wird. Eine erste Runde sieht vor, die Bestandsanalyse mit den Bürgern zu diskutieren. In einer zweiten Runde werden die Ziele mit den Bürgern festgelegt und die verschiedenen Alternativen geprüft. In einer dritten Runde wird die Wahl getroffen und Maßnahmen zur Verhinderung und Verringerung von negativen Umweltauswirkungen ausgearbeitet“.

Und gerade hier, wo der Planungsprozess Neuland beschreitet, wird der Leitfaden sehr dünn. Es finden sich nur grobe Hinweise, nach welchen Kriterien, mit welchen Instrumenten die Forderung nach Beteiligung der Bürger und Bürgerinnen sowie der Interessensgruppen eingelöst werden soll, kein Wort dazu, welche Verbindlichkeit die Ergebnisse des Verfahrens am Ende haben. Muss man dies als Schwachpunkt der Vorgaben an die Gemeinden bezeichnen? Wohl kaum. In Wirklichkeit entspricht diese dünne Beschreibung des dritten Schrittes einfach der Realität, dass wir als Südtiroler Gesellschaft noch wenig Erfahrung mit partizipativen Planungsprozessen haben, dass uns also noch niemand sagen kann, welche Instrumente gut funktionieren, welche Formate sich für welche Fragestellungen eignen usw. Umso wichtiger wäre es, aus den Erfahrungen in partizipativen Planungsprozessen zu lernen und Wissen zu diesem Bereich auch anderen zur Verfügung zu stellen, über Qualitätsstandards zu diskutieren, Probleme zu benennen usw. So stellen etwa die Gemeinden Naturns und Eppan auf ihren Webseiten die Ergebnisse eines jeweils eingerichteten Bürgerrats dar, sodass man einen guten Eindruck davon bekommt, was ein solcher Prozess leisten kann. Noch besser wäre es, wenn man diese Prozesse unabhängig evaluieren und die Ergebnisse der Allgemeinheit zur Verfügung stellen würde.

apollis hat einer Reihe von Planungsteams im Bereich des Arbeitsfeldes „Mobilität und Erreichbarkeit“ zugearbeitet, unter anderem auch bei einigen der Pilotgemeinden, und bietet gemeinsam mit dem Planungsteam „Kollektiv 2020“ und der „Plattform Land“ die Begleitung der Entwicklung des Gemeindenentwicklungsprogramms an.
 
 
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