Muss Südtirol so werden wie das Trentino?
L'Alto Adige deve diventare come il Trentino?

Hermann Atz - 2018

„Im Vergleich zu den Trentinern werden Südtiroler als älter, etwas weniger sympathisch, introvertierter, egoistischer, ethischer, weniger gesellig und traditioneller, strenger und weniger gastfreundlich wahrgenommen“, so wurden vor Kurzem die Ergebnisse einer Bevölkerungsumfrage in Italien zusammengefasst. Aber was sagen die Daten wirklich? Und muss Südtirol so werden wie das Trentino?

Laut einer Meinungsumfrage des Instituts Astarea, die in ganz Italien durchgeführt wurde, sind typische Eigenschaften der Südtiroler Bevölkerung:
  • kultiviert
  • gastfreundlich
  • konsequent
  • standhaft

Ein Image, das wenig Anlass zur Sorge gibt, möchte man meinen.

Doch die Medienbotschaft, die auf diesen und ähnlichen Ergebnissen fußt, klingt nach akutem Notstand:
„Überheblich und arrogant, und vor allem privilegiert. Dieses Bild hat das restliche Italien – Trentino ausgenommen – von den Südtirolern. So eine weitläufige Meinung – die nun belegt ist. Mit einer Umfrage, die die Landesagentur für Presse und Kommunikation in Auftrag gegeben hat, wollte das Mailänder Marktforschungsinstitut Astarea wissen: Wie ist es um das Bild Südtirols in Italien bestellt?“

Zum Glück steht die Lösung des Problems schon bereit:

Die Umfrageergebnisse bilden die Grundlage für eine offensive Charme-Kampagne des Landes, um das Image Südtirols aufzupolieren. ‚Der gute Name Südtirols in Italien‘ oder auch ‚Der gute Ruf der Autonomie‘ nennt sich das Konzept, das die Landesagentur am Donnerstag Vormittag im Landtag präsentierte.“ (gleiche Quelle wie oben)

Die anscheinend besorgniserregenden Ergebnisse der Studie sollten allerdings genau analysiert und diskutiert werden, bevor eine kostspielige Imagekampagne gestartet wird. Versuchen wir es also, zumindest ansatzweise, an dieser Stelle.

„Im Vergleich zu den Trentinern werden Südtiroler als älter, etwas weniger sympathisch, introvertierter, egoistischer, ethischer, weniger gesellig und traditioneller, strenger und weniger gastfreundlich wahrgenommen“, heißt es weiter im zitierten Artikel.
Eine Prüfung der Orginaldaten ergibt, dass dies alles grundsätzlich zutrifft. Doch man muss sich auch die Größe der Unterschiede ansehen, z. B.:
  • Konsequent/streng (vs. permissiv/gefällig): 62% Südtirol, 54% Trentino
  • Egoistisch: 42% Südtirol, 36% Trentino
  • Gastfreundlich: 62% Südtirol, 68% Trentino
  • Sympathisch: 64% Südtirol, 65% Trentino
  • Ethisch (vs. praktisch): 51% Südtirol, 50% Trentino

Die Imagewerte der beiden Bevölkerungen unterscheiden sich somit um maximal 8 Prozentpunkte, meistens deutlich weniger. Wer sich mit der Statistik von Stichproben einigermaßen auskennt, kann leicht nachrechnen, dass 8 Prozentpunkte bei 600 Befragten die Nachweisgrenze für einen signifikanten Unterschied bilden. Oder anders gesagt: Geringere Unterschiede könnten auch auf purem „Pech“ beruhen, etwa weil die nach dem Zufallsprinzip gezogene Stichprobe für Südtirol ungünstig zusammengesetzt ist.

Somit wäre eine korrekte Darstellung der Umfrageergebnisse folgende: Hinsichtlich der Eigenschaften „ethisch vs. praktisch“ und „sympathisch vs. antipathisch“ werden Südtirol und das Trentino völlig gleich bewertet, bei Egoismus und Gastfreundschaft kann man den Verdacht hegen, dass ein unterschiedliches (für Südtirol weniger schmeichelhaftes) Image bestehen könnte, bewiesen ist es nicht. Nur hinsichtlich der tourismustechnisch wenig relevanten Einstufung auf der Skala „konsequent vs. permissiv“ (severo-accondiscendente) ist die Differenz aus statistischer Sicht bedeutsam.

So gelesen, können die Ergebnisse der Astarea-Studie sehr wohl Aufschluss darüber geben, bei welchen Stereotypen eine ohnehin geplante Imagekampagne für Südtirol ansetzen könnte – sofern die jeweiligen Aspekte relevant sind und überhaupt beeinflussbar erscheinen. Auf keinen Fall sollten sie jedoch als Alarmsignal oder Beleg für ein katastrophal schlechtes Image gedeutet werden. Denn als kultiviert (71%) und gastfreundschaftlich (62%) angesehen zu werden, ist doch ein schönes Ergebnis, das bestärken sollte – auch wenn die Trentiner Bevölkerung beim zweiten Punkt (vielleicht) geringfügig besser dasteht. Und was die anderen abgefragten Eigenschaften betrifft, sei die Frage erlaubt: Muss Südtirol genauso werden, wie das Trentino?

Datenquelle 1
Datenquelle 2
 
 
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